Das Leben in der nördlichen Hemisphäre hat mich wieder, die Wärme ebenfalls. Und die Umstellung natürlich auch, weil ich inzwischen zu reif bin, um schnelle Ortswechsel ohne Stoffwechsel auszuhalten.
Ich sitze wieder im Freien, dieses Mal in einem wärmeren Umfeld als die letzten drei Wochen. Der Frühling ist in der nördlichen Hemisphäre in einen genehmen Sommer übergegangen, der mir die Anpassung vom südlichen Winter leichter macht. Doch zwei Leben unter einen Hut zu bringen, ist schwerer als gedacht. Denn die berühmten drei Wochen sind auch der Zeitraum, in der Veränderung passieren kann, wenn man sie denn möchte.
Eine Veränderung ist, dass gerade ein Haferbrei auf meinem Herd köchelt. Denn ich habe eindrücklich gelernt (auch wenn ich es schon wusste), dass Frühstück ein Muss ist für mich. Natürlich kann ich es ausfallen lassen, wenn mich das Leben gleich nach dem Einschalten meines Handys gefangen nimmt. Doch ich habe endlich gelernt: Das Leben kann keine Gefangenen machen, wenn sie kraftlos sind. Und ich möchte mich vom Leben fangen lassen, weil es nichts Spannenderes gibt.
Dass ich zwei dieser Leben führen darf, beweist das auf eindrückliche Art und Weise. Das eine ist voller Aktivitäten, mental und physisch. Der Terminkalender ist immer voll, es gibt immer etwas zu tun, auch wenn ich versuche, manchmal etwas zu lassen. Doch am Ende ringe ich doch wieder mit Freundinnen und Freunden um Möglichkeiten, uns zu sehen. Und auch wenn ich es mir inzwischen ganz gut eingerichtet habe, überall arbeiten zu können, wo mich der Wind hinträgt: Meine Bücher, meine Kontakte inspirieren mich doch stets dazu, etwas Neues ins Leben zu bringen und etwas Spannendes anzustoßen. Ich schätze, das ist die Energie der nördlichen Hemisphäre: höher, schneller, weiter – vor allem weiter.
Das andere Leben ist auch eines voller Aktivitäten, doch sind sie ganz anders gewichtet. Natürlich arbeite ich dort auch, natürlich lerne und lese ich dort auch. Doch der Takt ist langsamer. Jetzt weiß ich natürlich, dass ich nicht mit jedem Upbeat-Song mitmuss, im Gegenteil. Die meisten Lieder, die einen Takt von 130 beats per minute haben, wurden von meinem Blackberry inzwischen entfernt. Auch jene, in denen es mit heulenden Gitarren zur Sache geht, sind verschwunden. Die Buschtrommeln können zwar auch heftige Zuckungen auslösen, doch ihr Grundton ist ein warmer. Und selbst wenn ich in den vergangenen drei Wochen im kühlen Süden verbracht habe, wiegt sich das Leben dort geschmeidiger. Es ist Zeit für das Wesentliche. Fürs Essen und nichts als das. Fürs Arbeiten und nichts als das. Fürs Miteinander und nichts als das. Und das kann alles auch einmal etwas länger dauern, weil Zeit ein Konstrukt ist, dem wir uns hingeben – oder eben nicht.
Diese beiden Hemisphäre in Übereinstimmung zu bringen, ist wieder einmal mein Ziel. Doch ich weiß auch, dass ich mich damit unter Druck setze. Denn selbst wenn ich mich beispielsweise nach den südafrikanischen Stromabschaltzeiten richten würde und hierzulande alles abschalten würde, was Energie braucht: Kann ich hier so in die Ruhe kommen wie dort, wenn ich selbst bei einem Stadtbummel sehe, wie sehr unsere Zivilisation auf der Verfügbarkeit von Strom fußt? Natürlich könnte ich in den Wald gehen, wo glücklicherweise der Strom obsolet ist. Doch bin ich fähig, mein Gehirn soweit abzuschalten, damit es nicht daran denkt, was zuhause liegen bleibt? Was getan werden sollte? Ich bezweifle es, auch wenn ich es nicht für gänzlich unmöglich halte. Ich kenne jemandem, dem das vorzüglich gelingt. Doch dessen Terminkalender ist auch ziemlich leer, weil er es eben so will.
Schaffe ich es, das Beste aus beiden Welten zu vereinen? Vermutlich irgendwann einmal. Und es gibt dafür sogar schon einen ungefähren Zeitpunkt. Doch bis dahin kann ich nichts anderes tun, als jeden Schritt des Tages bewusst zu machen, zu überprüfen, wie ich mich dabei fühle und ob es meinem inneren Rhythmus entspricht. Und meinen Haferbrei essen, der mir Energie gibt, um diese Beobachtungen auch durchzuhalten.
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