Letztens war ich wieder einmal beim Tanzen. Und die Folgen waren durchaus beeindruckend, auf vielerlei Ebenen.
Gleich am Anfang möchte ich einmal mehr an mein Mindset erinnern, das da lautet: Es ist immer alles möglich, und Alter ist nur in den wenigsten Fällen ein Hindernis. Und auf meine Zeilen von letzter Wochen beziehend: Es zahlt sich immer aus. Vor allem weil man aus neuen Unternehmungen neue Erkenntnisse gewinnt. So auch vor einigen Tagen, an denen ich ausgiebig dem Tanzen gefrönt habe. Herrlich!
Seit acht Jahren gehe ich wöchentlich zum Bauchtanzen, abzüglich Ferien-, Feier- und Überarbeitungstagen. Für mich gibt es keine bessere Möglichkeit, in die Leibesmitte zu kommen, den Körper vollumfänglich zu spüren und es ganz großartig zu finden, welche Partien sich überhaupt bewegen lassen. Wenn man Bauch und Busen schüttelt, wahlweise im Kreis manövriert oder in Achtern schleifen lässt, sind das für Frauen hierzulande eher Bewegungen, die uns nicht in die Wiege gelegt wurden.
Nach meinem wöchentlichen Schütteln und Kreisen, das durchschnittlich eine Stunde dauert, war ich zwei Tage später zu einer irren Mischung aus Shakespeare und Disco verabredet. Das Stück war derart gut gemacht, dass weder die Füße, noch Busen und Bauch still stehen konnten. Zuhören und tanzen und zuhören und tanzen – was für ein Konzept! Und noch dazu ein lustiges! Mein Körper fand das großartig und hielt fast drei Stunden durch, getragen von ABBA, Gloria Gaynor und Boney M. Und ich stellte fest: Mehrere Generationen liebten die gleiche Musik und die Grooves dazu.
Und damit bin ich beim Thema. Nicht dass mich etwas außer Meteoriteneinschlag, Krankheit oder Tod vom Tanzen abhalten könnte – die Tanzstunden letzthin haben trotzdem ihre Spuren hinterlassen. Von den Hebungen und Senkungen meines Dekolletees hatte ich einen derartigen Muskelkater, dass ich ernsthaft überlegte, ob das vielleicht die Vorstufe eines Herzinfarktes sein könnte. Mein Zwerchfell war zwar happy, doch ein wenig schwach fühlte ich mich schon, nachdem ich mich derart ausgepowert hatte. Und am Nachmittag nach der Sause legte ich mich tatsächlich eine Dreiviertelstunde hin, was für eine Powernap-Verweigerin wie mich schon Bände spricht.
Wenn ich auf mein Leben und in den Spiegel schaue, denke ich kaum daran, dass ich bereits 57 Jahre auf dem Buckel und in den Knochen habe. Weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass es viele Premieren zu erleben gibt – auch jenseits der berühmten Lebensmitte. Da muss ich nur auf dieses Jahr schauen, das fast zur Gänze schon hinter uns liegt. Ich habe zum ersten Mal auf meiner Terrasse im Freien übernachtet, dort zum ersten Mal geheiratet und auch zum ersten Mal Helium eingeatmet, um meinem Mann ein piepsiges Video zu schicken. Das Leben ist großartig, doch will eben auch achtsam gelebt werden. Sagt mein Körper.
Je älter ich werde, umso mehr spricht er mit mir. Er ermahnt mich, in regelmäßigen Abständen das Richtige zu essen. Er erinnert mich mit Zwicken und Zwacken daran, wenn ich aus Zeitgründen meine Yoga-Einheit ausfallen habe lassen. Und er drückt mich auf die Couch, wenn ich an zwei Nächten hintereinander nur sechs Stunden geschlafen habe. Undiszipliniertheit lässt sich kaum mehr ausbalancieren. Das Gute daran ist: Er zwingt mich dazu, auf mich selbst zu achten, mich selbst wichtig zu nehmen. Und wenn man erst im fortgeschrittenen Alter gelernt hat, was Selbstwert ist, entpuppt sich der Körper als wunderbarer Sparring-Partner.
Inzwischen sind wir wieder auf einer Wellenlänge, mein Körper und ich. Doch die nächste Tanzstunde kommt bestimmt, und bis dahin wird er flexibel gehalten – mit dem täglichen Sonnengruß, viel Treppensteigen und einem weiteren Tanzfest. 57? Nur eine Zahl. Zähle ich die beiden Ziffern zusammen, erhalte ich 12, und die steht im Tarot für den „Gehängten“. Genau die richtige Karte für eine Person wie mich, die immer um andere Perspektiven bemüht ist. Auch wenn es ums Älterwerden geht.
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