FREITAG: Die Tücke mit der Lücke

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Gerade in der Weihnachtszeit poppt für viele das Thema Zweisamkeit auf – in den unterschiedlichsten Facetten. Nicht alle sind erfreulich und doch sehr lehrreich.

Die Tochter einer alten Freundin hat mich kürzlich angerufen, um ihr Herz zu erleichtern. Auch wenn sie inzwischen Hunderte von Kilometern zwischen sich und ihre Ahnfrau geschaufelt hat: die Prägungen haben sie begleitet. Und siehe da, Distanz kann sie mildern, aber mit jedem Telefonat tauchen sie scheinbar unerwartet wieder auf. Beispielsweise die, dass man nur dann wirklich betrübt sein kann, wenn der Partner nicht da ist. Die junge Frau und ihr Freund führen nämlich eine Fernbeziehung. Ich sehe sie, wie sie in ihrem kuscheligen, englischen Zuhause im Kreis geht, weil sie sich über diese Äußerung der Mutter fürchterlich aufregt. „Bin ich denn nur vollständig, wenn ich einen Mann habe?“ fragt sie mich. Raten Sie mal, was ich gesagt habe!
Und wie es so ist, wenn man sich mit einem Thema beschäftigt, fallen einem nahezu tagtäglich Begebenheit dazu auf. Das ist beim Schwangerwerden/sein so, auch wenn man unglücklich verliebt ist und ständig ineinander verknotete Pärchen sieht. Es kommt mir ein Text unter, in dem eine Frau darüber schreibt, dass sie Single ist und nicht verfügbar. Sie legt dar, dass es in unseren Breiten offenbar immer noch unreflektiert weitergegeben wird, dass wir Frauen nur MIT Mann vollständig sind, unser Leben bewältigen können und überhaupt ausschließlich mit ihm das Leben genießen sollten. Die Autorin schreibt: „Bitte versichern Sie mir nicht, dass ich den Einen finden werden. Ich BIN die Eine.“
Auch im Freundinnenkreis taucht diese Frage immer wieder auf, wenn es darum geht, über die Zukunft nachzudenken. Da kann frau noch so willig sein, einen Partner ins Leben zu lassen – sehr selten hat sie selbst bei der Suche das Gefühl, als Ganzheit wahrgenommen zu werden. Da in meiner Welt (und wahrscheinlich auch darüber hinaus) viele Männer sich als lösungsorientierte Wesen sehen, halte ich es für möglich, dass sie auch bei uns Frauen froh sind, wenn es etwas zu richten gibt. Das mit den Finanzen hat sich in den postemanzipatorischen Zeiten ja vielfach erledigt, weil die meisten von uns ihr Konto durchaus selbst füllen können. Was bleibt also? Das Handwerkliche und das Sexuelle. Und sollten Sie mir nun vorhalten, dass ich Männer darauf reduzieren: Ich bin mir durchaus bewusst, dass sie denkende Wesen sind. Und ich führe auch gute Gespräche mit Männern, die über den Tellerrand hinausdenken (wollen), offen sind für ihre eigene Entwicklung und ihrem Leben einen tieferen Sinn geben möchten. Ich mag diese Gespräche, weil sie mich yin-yang-mäßig in die Balance bringen und inspirieren. Doch sobald es zu Partnerschaftsgedanken kommt, läuft vielfach ein Programm ab. Man überlegt sich, was und ob man vom anderen etwas braucht. Und wie man es bekommen kann. Natürlich: Wir alle wollen uns gebraucht fühlen – geschenkt! Die Frage ist halt immer, welcher Preis dafür zu bezahlen ist. Und ob unsere Haushaltskasse dafür entsprechend voll ist.
Ich werde nicht müde, zu betonen, dass wir nur dann wirklich schenken können, wenn wir selbst genug haben – vor allem Selbstliebe. Sie durch andere immer wieder bestätigen zu lassen, macht abhängig, und das ist definitiv not my cup of tea. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich wurde nicht mit dieser Einstellung geboren. Auch ich habe im Außen gesucht, was mein Innen gebraucht hat. Und unnütz zu sagen, aber der Deutlichkeit halber doch: Dieses Modell hat mich in tiefe Verzweiflung geführt. Bis ich eines Tages drauf gekommen bin, dass es nur mit Selbstliebe geht, die man sich selber schenkt. Das Wort impliziert es ja schon. Ich bin überzeugt, dass wir Frauen (und möglichweise auch Männer) zuerst die Zweisamkeit mit uns selbst lernen und pflegen müssen, bevor wir ins Außen gehen. Kein Mensch hat es verdient, jene Lücken zu füllen, die wir nicht in Eigenregie managen können. Denn damit kommen wir alle auf eine Schiene, die sich im Kosten-Nutzen-Bereich abspielt. Und schimpfen Sie mich naiv: Ich bin zu romantisch, als dass ich eine gefühlsmäßige Verbundenheit auf wirtschaftsliche Beine stellen könnte. Für mich entsteht Liebe völlig unabhängig davon, was ein anderer Mensch für mich tun kann. Er kann auf und ab springen, mir jeden Tag Blumen schicken oder mich zum Frühstück nach Venedig einladen: Wenn ich die Ganzheit im anderen empfinden kann, tut sich da nix in Sachen Resonanz.
Wenn eine mir sehr nahe stehende Person also sagt, dass ich mich von Menschen in meinem Leben verabschieden solle, weil ich sonst keinen Mann finden würde, muss ich sagen: Natürlich können Lücken Lückenfüller anlocken. Doch diese Funktion möchte ich wirklich niemandem zumuten. Auch nicht mir selbst.

Über die Autorin

Claudia Dabringer

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