Ich weiß nicht mehr genau, wann das angefangen hat – vermutlich auf einem Markt, wo mir das entsprechende Anlocken einfach auf die Nerven gegangen ist. Doch es ist Zeit, neu über Zu- und Abneigungen nachzudenken.
Letzte Woche war ich mit meiner Mutter für ein paar Tage in Italien. Und fast ist das eine schlechte Nachricht, denn es ist Jahre her, dass ich dieses Land als Urlaubsdestination ausgewählt hatte. In meinen 20ern habe ich ja einmal aus Arbeitsgründen drei Monate dort gelebt, und das Gute daran war, dass das meinem Italienisch ziemlich gut getan hat. Dass diese Zeit längst vorbei ist, musste ich jetzt zähneknirschend zur Kenntnis nehmen, auch wenn ich das Gefühl hatte, schnell wieder in diese Sprache eintauchen zu können. Wäre es mir das wert.
Mein Gewohnheits-Ich schießt sofort ein „NEIN“ raus, denn es mag keine Italiener. Vermutlich ist das darauf zurückzuführen, dass ich eben in diesen 20ern mehrfach schräg angeredet wurde, wenn ich Märkte durchpflügt habe. Heute und Jahre mit orientalischen Souk-Erfahrungen später muss ich mir eingestehen: Es ist nicht alles schlecht. Vermutlich war ich damals im gleichen Mindset wie die jungen Frauen heute, die einfach kein Lächeln über die Lippen bringen, um ja nicht von den falschen Personen angesprochen zu werden. Dass sich Italiener nie als die falschen Personen empfinden, sollte ich einfach zur Kenntnis nehmen. Und ja, es ist mir bewusst, dass ich verallgemeinere.
Vor kurzem habe ich eine Frau getroffen, die „verliebt in Italien“ ist und einen entsprechenden, preisgekrönten Blog betreibt. Just einen Tag später machte ich mich eben mit meiner Mutter auf den Weg in den Süden, und ich habe versucht, mich auf die guten Erinnerungen zu konzentrieren. Den ersten italienische Kaffee an der Autobahn-Raststätte, die Landschaft, die Wärme und das Flair. Und vieles von dem, was ich in meiner Kindheit und Jugend dort geliebt habe, war immer noch da. Auch die Tatsache, dass sich meine Mutter dort wohl gefühlt hat, weil sie Italien stets uneingeschränkt geliebt hat, hat geholfen. Schließlich hat uns meine Großmutter italienisches Blut hinterlassen, auf das man sich berufen und fokussieren kann.
Einen Markt zu besuchen, wo einen niemand mehr anspricht, weil alle damit beschäftigt sind, auf den Bestand zu achten, war ein wunderbares, leider auch etwas kostspieliges Vergnügen. Aber hey, Mutter-Tochter-Zeit darf ein wenig aus dem Ruder laufen, wenn es ums Verwöhnen geht. Das hat auch die Mahlzeiten betroffen. Sie waren ausgesprochen wohlschmeckend, was man vom Preis nicht immer sagen kann. Doch zum einen hatte das damit zu tun, dass es ein sprachliches Missverständnis gegeben hatte und zum anderen mit der Freundlichkeit des Kellners. Dass er uns eine gemeinsame Vorspeise empfohlen hatte, für die ich in Südafrika einen Wocheneinkauf tätigen kann, ist uns erst einen Tag später bewusst geworden. Man sollte Restaurantrechnung wirklich nur kontrollieren, wenn man noch am Tisch sitzt und keinen Tag später!
Aber egal. Eine finanziell üppige Vorspeise konnte uns Frauen in keinster Weise den Tag verderben, denn wir genossen die gemeinsame Zeit. Für mich stellte sich überraschend die Erkenntnis ein, dass ich mich auch in der näheren Umgebung entspannen kann und nicht mehr unbedingt tausende von Kilometern hinter mich bringen muss, um in den Flow zu kommen. Und obwohl ich noch eine Handvoll Urlaubswünsche auf meiner Bucket-List habe, stelle ich fest, wie schnell ich inzwischen auch hier in Europa den Alltag loslassen kann. Flughäfen, die früher eine immense Faszination auf mich ausgeübt haben, sind inzwischen zu Bahnhöfen geworden, auf denen ich meine Zeit absitze, bis ich von A nach B komme. Die ganzen Luxusgeschäfte interessieren mich Nüsse, vor allem, weil ich mich frage, wozu man auch nur ein Teil daraus brauchen könnte. Die mangelhaften WLAN-Situationen dort ärgern mich, das Fliegen ist zum Busfahren in den Wolken geworden.
Irgendwann in naher Zukunft wird der Tag da sein, wo das Fliegen wieder interessant wird, weil ich es eventuell nur mehr zweimal im Jahr absolviere. Heuer habe ich bereits fünf Trips hinter mir, was meiner Ehe-Geographie geschuldet ist. Einen habe ich noch vor mir, und dann wird es vermutlich ruhiger. Ich freue mich schon darauf. Auch wenn Macao, Angkor Wat, Essaouira, San Francisco und Jamaica nach wie vor locken. Doch diese Ziele werden noch da sein, wenn ich bereit für sie bin – hoffentlich!
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