Für mich sind Märkte ja nicht zwingend Konsumeinladungen, sondern vor allem Inspiration. Zum Schauen. Zum Freuen. Zum Nachdenken.
Bei mir ums Eck findet alle heiligen drei Zeiten ein Designermarkt in einer ebenso stylishen Umgebung statt. Und weil in meiner Gegend wenig Innovatives passiert, gehöre ich zu den Stammbesuchern dieser Veranstaltung. Dort finde ich dann Ohrringe aus brasilianischem Gras, türkische Hamam-Mäntel und Schneidbretter aus recycleten Surfboards. Was mir nicht nur gefällt, sondern auch insofern Freude bereitet, weil ich die Kreativität der jungen Menschen spüre, die sich das alles einfallen haben lassen.
Die Hallen sind immer prall gefüllt, was mir irgendwann einmal bei aller Einfallsexplosion zu viel wird und ich mich – ganz Bobo – mit einem Matcha Latte in eine Nische im Freien zurück ziehe. Dort ziehe ich dann Bilanz ob des Gesehenen und überlege mir wie jüngst, wem ichwomit zu Weihnachten beglücken könnte. Ich muss dort nämlich wirklich auf mein Budget achten, denn meine Begeisterung würde sich direkt auf mein Geldbörsl auswirken. So schnell könnte ich gar nicht denken, wäre es nämlich leer. Die Schlangen vor dem mobilen Bankomaten sind traditionell lange, was ich mir ersparen will. Deshalb ein kurzer Rückzug und Listenschreiben.
Und schauen, wer sonst noch da ist oder kommt. Mir fällt eine junge Frau ins Auge, die in einem knatschgelben Samtblazer kreischend auf eine Freundin zustürmt, die auf dem Kopf einen weinroten Schlapphut und am Körper ein blauweiß getupftes Kleid trägt. Und aus dem Nirgendwo schießt mir ein „Es geht doch!“ in den Kopf, dem ich nachspüre. Denn wie geneigte Leser meines Blogs vielleicht schon bemerkt haben, sind mir jungen Menschen sehr nahe. Mir fällt ein Artikel einer jungen Journalistin ein, den ich vor einigen Monaten gelesen habe und der sich mit altersloser Mode beschäftigte. Und sich darüber ausließ, dass sich die Jugend heutzutage gar nicht mehr für ihre Jugend interessiere. Und sich deshalb kleide wie Frauen, die im Reformhaus einkaufen und in den Töpferkurs gehen. Ja, das ist ein Klischee, aber keines von mir.
Das finde ich auch an diesem Markttag. Wadenlange Röcke in Grau und Schwarz, knittrige Hemden in Erdtönen, flache Gesundheitsschuhe. Die Autorin schrieb, dass diese Kleidung eine Gelassenheit ausstrahle, die jugendlicher Kleidung fehle. Ich finde allerdings auch noch etwas anderes, nämlich viel Farbe an älteren Frauen, geschätzt ab 50. Sei es auf den Lippen, im Haar oder eben am Körper. Sie strahlen damit genauso Gelassenheit aus. Was mich zu einem anderen Artikel, vielmehr einem Interview mit einer Modeschöpferin führt, die etwas sehr Wahres sagt: „Frauen sind dann am schönsten, wenn sie die Kraft haben, ihre Weiblichkeit zu zeigen.“ Man werde nicht stärker, wenn man sich in eine Uniform hineinreduziere. Grossartig, denke ich mir, aber auch, dass es bei mir selbst Jahrzehnte gedauert hat, bis ich das begriffen hatte.
Wie immer versuche ich der Situation etwas Positives abzugewinnen. Punkt 1: Mir sind junge Frauen, die Gelassenheit ausstrahlen wollen, lieber als jene, die ihre Körper in viel zu kleine Größen hineinpressen. Punkt 2: Wenn die Geschäfte für junge Mode inzwischen auf diesen Zug aufspringen, kann ich auch dorthin gehen und darf die ältere mit der jüngeren Claudia in Kontakt bringen. Punkt 3: Von einer eher unscheinbaren Modebasis aus seine Weiblichkeit zu suchen, erinnert mich an ein Spruch von Ilse Aichinger: „Um zu lieben, ist es nötig, nicht zuerst einen großen Schritt vor, sondern einen kleinen zurück zu tun, weil es dann leichter ist, zu springen.“ Und das gilt natürlich und zuallererst für die Selbstliebe.