Es ist ja jetzt schon eine Zeitlang her, dass ich Kinder in meinem täglichen Leben hatte – mein Jüngster wird heuer 27. Doch kürzlich hatte ich die Gelegenheit, wieder in kindliche Sphären einzutauchen.
Eigentlich wollten eine Freundin und ich vor kurzem in ein Vier-Augen-Gespräch unter Frauen eintauchen, in der Natur picknicken, Karten legen und über das Leben philosophieren. Und zu einem gewissen Grad ist uns das auch gelungen, weil es immer sehr schnell gelingt, wenn wir uns treffen. Allerdings hat sich vor etwas mehr als einem Jahr ein kleiner Mann in diese Vier-Augen-Gespräche eingeschlichen, die auch vier Hände und Arme zum Einsatz bringen. Denn ein Baby will umarmt und gehalten, gefüttert und umsorgt werden. Da sind Weibergespräche von Natur aus erst einmal nachrangig. Mir macht das nichts aus, denn ich habe ein enges Verhältnis zu meinem inneren Kind, auch wenn die erwachsene Frau hin und wieder erwachsene Gespräche führen möchte. Ich kann da problemlos hin und her switchen. Vor allem dann, wenn ein Zwergerl mit mir Handy-Gespräche führen will, den erhitzten Rücken geblasen bekommen möchte und überhaupt gar nicht oft genug geküsst werden will. Prioritäten zu setzen geht in solchen Fällen ganz leicht.
Ich kann mich noch erinnern, als meine Kinder ihre ersten Handys bekommen haben. Da waren sie viel älter, und die Handys konnten damals auch noch nicht so viel wie heute. Wir fanden das damals eine ganz gute Idee, weil wir ihnen die Möglichkeit geben wollten, Kontakt aufzunehmen, falls sie uns brauchen würden. Heutzutage übernimmt das Mobiltelefon bei Kindern oft schon ganz andere Aufgaben, vor allem jene der Bespaßung. Nicht dass das Zwergerl diese Bespaßung brauchen würde – doch das alte, ausgeschaltete Handy bereitet ihm einfach Freude, da er beim Spiel der Großen mitmachen kann. Und für uns Große gibt es eben kein Leben ohne diese elektronischen Plagegeister. Ich beklage mich nicht, könnte ich doch ohne sie keine Fernbeziehung führen.
Dazu gehören neben langen Video-Telefonaten auch Videos, die eine Beziehung mit Leben erfüllen. Ich als Nachteule nehme normalerweise jeden Abend eines für meinen Liebsten auf, damit er – die Lerche – einen angenehmen Tagesstart hat, während ich noch schlafe. Beides war an diesem Tag nicht möglich, da ich einen Übernachtungsgast hatte. Schon vor Monaten wollte er mit mir auf der Terrasse in der Hängeschaukel schlafen, doch der straffe Zeitplan und das Wetter haben uns immer wieder torpediert. An diesem Tag allerdings passte alles. Meinen Claudia-Tag hatte ich ohnehin ausgesetzt, er hatte Ferien, die Temperaturen lagen selbst nach 21 Uhr noch knapp unter 30 Grad – besser ging’s nicht.
Mit dem Seilzug wurden seine notwendigen Schlafutensilien vom Nachbarhaus auf die Terrasse transportiert, er kam bereits im Schlafanzug. Was allerdings nicht bedeutete, dass wir uns unmittelbar niederlegten. Wir haben sorgfältig die Hängematte hergerichtet, einen Tom und Jerry-Film angeschaut, eine Runde durch den nächtlichen Garten gemacht, um die Leuchtkörper zu zählen und dann natürlich noch ausgiebig geplaudert. Wie gesagt, ich bin eine Nachteule, aber mein kleiner Nachbar schlägt mich bei weitem – wenn er einmal die Gelegenheit dazu hat. Es war ein großartiger Abend auf der hängenden Liegematte, und der Schlaf war wider Erwarten auch gut. Für uns beide. Dass er sich mit der Taschenlampe über mich drüber gewälzt hat, um alleine auf die Toilette zu gehen, habe ich noch nicht einmal mitbekommen.
Es macht mir großen Spaß, mich auf die Gedanken von Kindern einzulassen. Leider habe ich das erst mit 30 Jahren begriffen, aber hey – besser spät, als nie. Und auch wenn mir bewusst ist, dass diese Kinderidylle irgendwann einmal von der Realität aufgebrochen wird, weil Entwicklung einfach stattfinden muss, werde ich das Vertrauen in jüngere Generationen behalten. Sie sind unsere Zukunft, und wir können sie gar nicht achtsam genug auf diese Realität vorbereiten. Was uns Erwachsene aber nicht davon abhält, uns selbst stetig weiter zu entwickeln. Doch das ist wieder ein anderes Thema.
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