Ich bin wirklich gerne Österreicherin, denn dieses Land hat eine Fülle von Kostbarkeiten, die es selten auf so kleiner Fläche geballt gibt. Hier leben zu dürfen, macht mich sehr dankbar. Doch offenbar geht das nicht allen Menschen hierzulande so.
Ganz verstehe ich diese Studie, die Österreich zum unfreundlichsten Land unter 52 anderen weltweit gewählt hat, nicht. Denn die Lebensqualität hierzulande landet unter den Top 5. Darunter fallen Reisen, Umwelt, Sicherheit, Freizeitmöglichkeiten und Gesundheitswesen. Gut, gehört alles irgendwie zur Lebensqualität, doch die Internation-Studie hat eben noch einen anderen Aspekt abgefragt: wie leicht man sich eingewöhnen kann. Und da kommt die Freundlichkeit ins Spiel, mit der die Menschen dieses Landes offenbar so ihre Schwierigkeiten haben.
Kürzlich habe ich mit einer Wirtin gesprochen, die an der Grenze zwischen Kärnten und Italien ein kleines, feines Restaurant betreibt. Gleich am Anfang hatte ich das Gefühl, dass ihr irgendetwas über die Leber gekrochen sein musste, da sie mich wenig charmant aufforderte, mein Auto in einer bestimmten Art und Weise zu parken. Gehört, getan – doch ich war dann eben auch sehr förmlich. Und wie es halt oft so ist, sahen wir uns beim Rauchen im Garten ein zweites Mal. Und ich erfuhr, woher ihre schlechte Laune stammte und konnte ihr nur mein Mitgefühl aussprechen. Wenn man einerseits in der Gastronomie kein Personal bekommt und alles selbst machen muss, andererseits Gäste hat, die es nicht aushalten, wenn die Mundwinkel einmal nach unten hängen und alles persönlich nehmen – woher soll der Charme-Boost kommen? Wir haben alle schlechte Tage, manche haben mehrere davon, übers Jahr gesehen.
Wenn also ein Expat – darunter versteht manMenschen, die im Ausland arbeiten und wohnen – eine Reise tut und dann auf eine völlig überarbeitete Hotelchefin oder einen hart an der Grenze zum Burnout entlang schrammenden Barista trifft, kann die Idylle schon einmal bröckeln. Ähnliches passiert auch, wenn man durch eine wunderbar intakte Landschaft fährt und das Gefühl hat, dass hier die Umwelt noch in Ordnung ist, dann aber im Stau auf der Wiener Ringstraße steht, weil die „Letzte Generation“ mit einer Demonstration den Verkehr lahm legt. Und dass die nicht gut gelaunt sind, ist hinlänglich bekannt. Ähnliches gilt für das Gesundheitswesen, das ebenfalls seit Corona von Überlastung des Personals betroffen ist. Selbst wenn wir gut versorgt werden, bedeutet das nicht automatisch, dass wir auch mit Freundlichkeit versorgt werden. Geschenkt. Und wenn der Stehpaddel-Lehrer einen schlechten Tag hat, weil er Menschen wie mich instruieren muss, die absolut kein Gleichgewichtsgefühl haben, sollte ich mich nicht wundern, wenn er grummelt – auch wenn ich das Stehpaddeln lernen darf.
Bei mir persönlich braucht es sehr viel, damit ich die Contenance verliere. Ich würde mich selbst als einen überaus freundlichen Menschen bezeichnen, weil mir sehr bewusst ist, dass andere meist nichts mit meinen schlechten Tagen oder sonstigen Vorkommnissen zu tun haben. Und merke ich, dass mein Gegenüber zu viel Energie aufwenden muss, um die Mundwinkel in die Höhe zu bringen, helfe ich gerne nach – mit Freundlichkeit, oft auch mit Unterstützungsangeboten. Und das fällt mir vor allem deshalb leicht, weil ich meinen eigenen Wert kenne. In weiterer Folge bedeutet das: Wenn ich meinen eigenen Wert kenne, kann ich auch anderen ihren Wert lassen oder ihn anerkennen. Ein Kompliment in ein grantiges Gesicht wirkt manchmal Wunder!
Oft habe ich den Eindruck, dass Menschen vor allem deshalb schlecht gelaunt sind, weil sie sich unterbewertet fühlen. Weil sie zu wenig Anerkennung bekommen – von anderen, aber auch von sich selbst. Seinen eigenen Wert zu kennen, hat sehr viel damit zu tun, hin und wieder auch einmal sanft mit sich umzugehen, den Perfektionismus rauszukicken und langsamer zu gehen. Und dann kann man auch mit anderen verständnisvoller umgehen. Das gilt für die Menschen in Österreich, aber auch für die Expats. Und generell sowieso.
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