Manchmal muss man Schluss machen, ob man will oder nicht. Doch bis man soweit ist, zieht sich der Prozess wie ein geschmackloser Kaugummi. Ihn weiter zu kauen, statt ihn auszuspucken, ist irgendwann einmal keine Option mehr.
Es gibt bei mir ja nur zwei Gelegenheiten, wo ich Kaugummi kaue, nämlich wenn der Flieger abhebt und wenn er sich der Landebahn nähert. Ansonsten erschließt sich mir der Grund für das sinnlose Herumkauen auf einer zähen Masse, die innerhalb kürzester Zeit ihren Geschmack verliert, kaum. Deshalb bin ich auch ganz ungeeignet dafür, länger als nötig an einem Problem herumzunagen. Zugegebenermaßen brauche ich manchmal schon meine Zeit, um eine Entscheidung zu treffen, weil das Für und Wider, vor allem aber die Intention ausgearbeitet werden will. Eine Für-und-Wider-Liste ist ja im Grunde nichts anderes als ein Zwiegespräch zwischen den beiden Affen, wie wir auf unseren Schultern sitzen haben. Der eine heißt „Angst“, der andere „Liebe“. Und dazwischen ist unser Hirn, das dem Dialog wie einem Pingpong-Match folgt und schön langsam dabei kirre wird.
Vor allem auch deshalb, weil das Leben deshalb ja keine Pause macht, nur weil wir in diesem Affengespräch festsitzen. Wir haben unsere Arbeit zu erledigen, die Rechnungen zu bezahlen, unsere sozialen Kontakte am Leben zu erhalten. Vom Zähneputzen, Wäschewaschen und Nägelschneiden rede ich erst gar nicht. Doch weil das alles gleichzeitig stattfindet, wird es für uns immer enger, vor allem die Geduld. Bei mir persönlich ist es ja so: Je mehr ich mich in die Enge getrieben fühle, umso umfassender wird der Befreiungsschlag. Das dazu passende Bild wäre jenes, am Zipfel eines Tischtuches zu ziehen und alles auf den Boden zu reißen, ohne Rücksicht auf Verluste. Das mag jetzt etwas drastisch klingen, aber ich lasse mich eben richtig ungern unter Druck setzen.
Da ich weiß, wie extrem ich in solchen Situationen sein kann, versuche ich, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Heißt: Möglich früh einzuschreiten, bevor mein eigenes Porzellan zerschlagen wird. Glücklicherweise durfte ich im Laufe meines Lebens lernen, auf Zeichen zu achten. Und Zeichen sind für mich Widerstände, die sich mir in den Weg stellen. Wenn ich bei einem Vorhaben zweimal gegen ein imaginäres Gatter oder eine Wand laufe, nehme ich das als Hinweis, dass ich vielleicht noch einmal über meinen Plan nachdenken sollte. Funktioniert recht gut, auch aus der anderen Perspektive. Wenn nämlich etwas richtig flutscht, weiß ich, dass ich das auch genießen darf.
Jetzt hat sich in den vergangenen Wochen ein gewisser Druck über mir zusammengebraut. Und wie beschrieben, kann ich damit schlecht umgehen. Eine erste Analyse ergibt: Ich sollte mir überlegen, warum ich es überhaupt zulasse, mich unter Druck gesetzt zu fühlen. Der zweite Gedanke: Ich scheue die Veränderung, weil ich die Vorteile der bestehenden Situation noch nicht umfassend genützt habe. Die dritte Frage: Wovor habe ich Angst? Und damit bin ich bei der Wurzel des Problems angekommen. Wenn ich mir diese Frage beantworte, komme ich in die Zukunft. Was dort alles passieren oder nicht passieren könnte. Was MIR dort alles passieren oder nicht passieren könnte. Doch in Wirklichkeit, im Jetzt, weiß ich sehr genau, dass mein Wissen aus der Vergangenheit einfach nicht reicht, um in die Zukunft blicken zu können. Da kann ich Tarotkarten legen, bis ich violett werde.
Also wende ich meinen Blick auf das, was mir Freude macht. Und siehe da, von all dem, was ich glaube, entscheiden, beibehalten, entwickeln zu müssen, macht mich nur ein Bruchteil wirklich glücklich. Ich bin ein sehr loyaler Mensch, und das gilt nicht nur für mein soziales Umfeld, sondern auch für meine eigenen Pläne und Ziele. Wenn ich einen ausgearbeitet, eines ins Auge gefasst habe, marschiere ich drauf zu. Schließlich habe ich mir ja alles gut überlegt. Was ich aus eben jenem Auge verloren habe: Ich kann einen Großteil meiner Pläne und Ziele jederzeit ändern. Das tut nicht weh, außer vielleicht dem Ego, das meckert, weil ich ihm sein Erfolgserlebnis genommen habe. Aber sonst? Das Leben hat seine eigenen Pläne mit uns und eigene Hinweisschilder, die nur wir sehen können. Wenn ein Projekt einfach nicht auf die Füße kommt, ist das wahrscheinlich ein Zeichen, dass seine Zeit erst kommen wird. Wenn man keine Wohnung findet, ist das vermutlich ein Zeichen dafür, noch ein wenig in der alten zu bleiben oder einen Umzug in eine neue Stadt zu verschieben. Wenn sich ein Mann sonderbar verhält im Beziehungsdschungel, ist das möglicherweise ein Zeichen dafür, dass er vielleicht für eine andere der Richtige ist. Abzuwarten und Kaugummi zu kauen, ist in solchen Fällen die falsche Strategie. In meiner Welt lautet die richtige: Augen auf, sehen, was ist und eine Perspektive entwickeln, die uns in aller Ehrlichkeit entspricht. Und „Adieu“ zu sagen, wenn unser Seelenheil und unsere innere Ruhe auf dem Spiel stehen. Wir schaffen das! Etwas Besseres steht nämlich bereits vor der Türe.
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