Seit 30 Jahren ist Elena Proksch verliebt in Italien. Sie lebt in zwei Welten, knüpft auch im reiferen Alter noch Freundschaften und hat glaubt an Selbstwirksamkeit in einer Beziehung.
VOLL50: Welches Vorbild hattest Du für das Voll50-Alter?
Elena Proksch: Man mag es kaum glauben, aber mein Vorbild war meine ehemalige Klassenvorständin vom Gymnasium. Seit der Matura sind jetzt 40 Jahre vergangen, und seit einigen Jahren habe ich wieder Kontakt mit ihr. Ich habe mir immer gedacht: „Wenn ich so drauf bin in diesem Alter und so mein Leben organisieren kann – das wäre toll.“ Die macht einfach ihr Ding, ist sicher nicht everybody’s darling. Sie hat eine Wohnung, ist Single und viel unterwegs. Sie hat keinen Computer und kein Handy, und trotzdem schafft sie alles. Ihr sozialer Zirkel hilft ihr, wenn sie es braucht. Sie ist kunst- und kulturinteressiert, hat immer etwas zu tun. Auch wenn sie ein wenig chaotisch ist: Sie ist sehr engagiert und so was von wach im Geist, dass wir Jüngere nicht wacher sein könnten. Und ich finde es toll, mit jemandem befreundet zu sein, der 20 Jahre älter ist. Das möchte ich später auch haben.
VOLL50: Hast Du das Gefühl, dass sich die Welt in unserem Alter schneller oder langsamer dreht?
Elena Proksch: Definitiv schneller, wobei ich nicht so sehr glaube, dass es mit unserem Alter zu tun hat. Seit es Computer, Email und Handy gibt, hat keiner mehr Geduld, alle wollen alles sofort. Es kommt uns vielleicht so vor, dass sich die Welt schneller dreht, weil wir das andere noch kennen, und die Jungen kennen es nicht. Wir wissen, dass es anders auch funktioniert hat. Wir haben auf einen Brief gewartet und sind auch nicht gestorben. In manchen Belangen hat es aber durchaus etwas für sich, dass man etwas schneller regeln kann. Aber zwingend notwendig ist das nicht. Und dann sollte man auch einmal „Stopp“ sagen, wenn etwas zu pushy wird.
VOLL50: In welchen Bereich hören sich mit voll50 die Kompromisse auf?
Elena Proksch: Bei mir haben sich die Kompromisse mit 48 aufgehört, als ich beschlossen habe, mich selbständig zu machen. Ich konnte meine inkompetenten Vorgesetzten einfach nicht mehr ertragen, die deutlich überbezahlt waren. Und da habe ich beschlossen, dass sich etwas ändern muss. Die Frage war: „Was kann ich gut genug, damit ich bis zu Pension gut davon leben kann?“ Ich habe glücklicherweise und auch überraschenderweise zwei Sachen gefunden. Es ist einfach so: Ich will mich nicht mehr mit Leuten umgeben, die inkompetent sind, die meine Energie rauben, und ich glaube sehr wohl, dass das eine Alterserscheinung ist, diese Art von Kompromissen nicht mehr zu machen. Im Freundeskreis müssen wir vermutlich toleranter sein, weil auch wir nicht fehlerfrei sind, aber auch hier sortiere ich aus. Das betrifft vor allem Menschen, wo das Geben und Nehmen sehr einseitig gehandhabt wird. Da wird der Kontakt dann einfach weniger. Und die Lücke füllt sich eh wieder.
Als ich jung war, hatte ich immer die Befürchtung, dass man im fortgeschrittenen Alter keine tiefen Freundschaften mehr schließen kann. Die meisten meiner Freundinnen kenne ich, seit ich 14 war. Doch zum Glück hat mir das Leben gezeigt, dass man sehr wohl im gereifteren Alter auch noch Freunde finden kann. Nur glaube ich, dass man länger braucht, bis man eine Verbindung herstellt. Aber es ist möglich.
VOLL50: Wie würde der Titel einer Biographie über Dich lauten, wenn Du ihn Dir aussuchen könntest? Und warum genau so?
Elena Proksch: Der würde „Verliebt in Italien“ heißen. Das begleitet mich seit 30 Jahren. Warum ich in Italien verliebt bin, weiß ich gar nicht so genau. Aber unsere Maturareise führte dorthin, mit 17 waren wir statt des Schikurses in Rom, und ich weiß noch, als ich im Borghese-Park gestanden bin, beim Teich, beim Tempel. Damals habe ich mir gedacht: „Das gefällt mir, das ist meins, da will ich her.“ Und dann hat mich noch ein junger, hübscher Italiener angesprochen. Mit 17 ist man empfänglich, mit der Schule ist es unmöglich, aber dennoch hat es mir gefallen. Und als mein Vater dann vor 30 Jahren in Italien eine Immobilie erworben hat, war’s für mich natürlich leichter, hin und her zu fahren. Inzwischen habe ich in Italien auch sehr viele Freunde, und ich bin sehr dankbar dafür, in zwei Welten leben zu können.
VOLL50: In welchem Bereich widerspricht sich Selbstwirksamkeit und Beziehung?
Elena Proksch: Ich habe keine Partnerbeziehung, deshalb kann ich zum Thema Beziehung schwer etwas sagen. Trotzdem glaube ich, dass es keinen Widerspruch zwischen Selbstwirksamkeit und Beziehung gibt. Ich glaube, es ist machbar, aber nur mit ganz viel Toleranz.